Karel Klostermann wird immer wieder, auch hundert Jahre nach seinem Tod, als der Mann zitiert, der den Untergang des alten Böhmerwaldes beschrieben hat. Die Zerstörung der Wälder, aber auch der Menschen, die hier lebten.
Karel Klostermann als Autor des Untergangs des alten Böhmerwaldes
Karel Klostermann wird immer wieder, auch hundert Jahre nach seinem Tod, als der Mann zitiert, der den Untergang des alten Böhmerwaldes beschrieben hat. Die Zerstörung der Wälder, aber auch der Menschen, die hier lebten. Man kann nicht davon ausgegangen, dass er ein echter Kenner der Forstwirtschaft war oder dass er sich auf Daten über den sozialen und wirtschaftlichen Wandel des Territoriums stützte. Dennoch hat er wahrscheinlich etwas Bedeutendes begriffen. Zu seinen Lebzeiten starb im Böhmerwald eine große Anzahl von Wildtieren aus. Die bewaldete Landschaft, die hier seit Tausenden von Jahren Gestalt annahm, wurde durch exzessiven Holzeinschlag und Viehzucht so stark zerstört, dass ihre Wiederherstellung (wenn überhaupt möglich) wirklich eine Frage von Hunderten (vielleicht Tausenden) von Jahren ist. Die Kultur, die ihm im Böhmerwald am nächsten stand, verließte langsam das Land.
Karl Klostermanns Schreiben über Böhmerwald beruht auf seiner eigenen Beobachtung, auf seiner unmittelbaren Kenntnis der Umwelt, aber ich denke, es ist wichtig zu sagen, das auch nach seinem eigenen „Gefühl“. Klostermann benimmt sich nicht wie ein Kolumnist, ein objektiver Beobachter, der nur Fakten sammelt und diese verifiziert. Klostermann kommt nicht „von außen“ in den Böhmerwald, sondern „von innen“. Klostermann schreibt oft darüber, was er hier erlebt hat — in der Kindheit, in den Ferien, in einem Zustand der Verzückung von seinem urbanen (zivilisierten) Leben - oder was er gehört hat. Karel Klostermann ist Romanautor. Das darf nicht vergessen werden, wenn wir uns heute in Form von Zitaten darauf beziehen. Er war in vielen Dingen nicht präzise und vernachlässigte oft Fakten, deren Erwähnung unbedingt erforderlich war. (Vielleicht kannte er sie nicht, oder er konnte es nicht.)
Für jemanden, der Prosa schreibt, ist es akzeptabel (tatsächlich wird es von ihm erwartet), dass er, um etwas Substanzielles (über Kultur, Zivilisation, über die Welt) zu erfassen, etwas, das in der Sprache der Vernunft schwer zu sagen ist, nicht nur Methoden der objektiven Bewertung, des rationalen Denkens verwendet, sondern auch Empathie, Vorstellungskraft und assoziatives Denken - Methoden, die dem Erleben von Mystik näher kommen als die Methoden des Wissenschaftlers. Also was ist es, das er festhalten wollte und warum kann es heute noch inspirierend sein, es zu lesen?
Kultur im Abschied
Es scheint mir, als ob Klostermann in seinen Romanen und Erzählungen danach strebt, etwas so Unbestimmtes festzuhalten wie den Niedergang einer bestimmten Lebensweise in diesem schmalen Landstreifen, der sowohl auf bayerischer als auch auf tschechischer Seite deutlich von der weicheren Landschaft getrennt ist.
Ein Urbild, Archetyp des Böhmerwald-Bewohners, der Karl Klostermann vielleicht am meisten am Herzen liegt, ist Rankl Sepp - eine echte Figur aus Klostermanns Zeit: ein Riese des Böhmerwaldes, der in der Ranklauzwischen Zhůří /Haidl und Horská Kvilda / Ausseergefild geboren ist und den größten Teil seines Lebens verbracht hat.
Es ist eine der unwirtlichsten Orte im Böhmerwald, wo im Grunde nichts angebaut werden kann. Menschen lebten hier seit Generationen eine in eine enke Symbiose mit dem Wald. Sie Vieh weidten und verkauften. Das Leben hier war extrem hart. Menschen konnten hier nur überleben, weil sie die Natur und ihre Gesetze absolut respektierten.
Ich bin überzeugt, dass es möglich ist, den Klostermans Archetyp des wahren Böhmerwalds entweder in den Beschreibungen seiner Urlaubserlebnisse, den Erinnerungen an seinen Vater oder in der Figur von Rankl Sepp zu finden.
Diese Menschen lebten tief in den Wäldern und besitzten keine großen Viehherden, Sägewerke oder ausgedehnte Ländereien. Sie weideten Rinder, arbeiten im Wald, verdienten ihr Lebensunterhalt mit der Arbeit ihrer Hände. So waren sie direkt von der Landschaft abhängig. Intuitiv erkanten sie die Zeit Beeren zu pflücken, zu meiden, Zeit, Vorräte anzulegen, oder sich zu verkriechen und sich zum Winterschlaf zusammenzudrängen. Sie wustee, dass sie nicht überleben werden, wenn sie Gesetze der Natur nicht respektieren. Sie waren nicht gebildet, aber sie hatten eine starke Ethik (diktiert von der Notwendigkeit, in dieser Landschaft zu überleben) und eine gewisse Weisheit — man könnte es wie Intelligenz des Waldes beschreiben.
In der Literatur der Zeit kann man eine Parallele finden, die den Wilden — den natürlichen Menschen — feiert, wie sie von Karl May, Jack London, Charles Sealsfied geprägt wurde. Karel Klostermann findet seinen edlen Wilden direkt in Mitteleuropa, in unserer Nähe.
Karel Klostermann wusste, dass diese Kultur nicht lange überleben kann. Er sieht die Migration in den Böhmerwald, das Aussterben der natürlichen Umwelt, das Eindringen der Zivilisation in den fernsten Winkel. Er wusste, dass das Industriezeitalter keinen Mann mit instinktiver Weisheit braucht, sondern so einen, der sich auf das vom Menschen geschaffenen System verlässt, den vor der menschlichen Ordnung bescheiden ist. Es braucht keinen Wilden.
Karel Klostermann erinnert daran, dass die Kultur der edlen Wilden vielleicht würdevoller als die der Fabriken und der Profitgenerierung ist. Und so singt er wenigstens sein Trauerlied — damit er nicht vergessen wird, damit das, was ihm lieb und teuer ist, nicht verloren geht.
Warum könnte man sowas lesen?
Karel Klostermann schien im Böhmerwald, zwischen den Histenn in den Wäldern, in der Region seiner Vorfahren, etwas Wesentliches, Lebensspendendes zu atmen.
Es ist, als hätte er sich dort mit der wesentlichen Substanz seines Seins verbunden. Ich bin überzeugt, dass genau aus diesem Grund immer wieder Menschenmassen in den Böhmerwald strömen: dass sie hier genau dasselbe suchen - etwas, das man als “eins mit der Natur werden” beschreiben kann.
Es ist noch immer wahr, dass sich unser Körper, unsere Psyche evolutionär in der natürlichen Umgebung in Mitteleuropa in Waldlandschaft entwickelt und daran angepasst (immer noch viel mehr als an das Leben in Städten und in der von Menschen geschaffenen Welt) ist. Solange wir Fleisch und Blut sind, solange wir noch funktionieren - nicht als Maschinen -, sondern als Lebewesen, können wir nicht anders.
Karel Klostermann macht diese Umgebung nicht nur in Form von Naturpoesie, Schilderungen von Wäldern, Schlamm, Wetter usw. in seinen Texten präsent, sondern er eröffnet aufmerksamen Lesern auch das alte Wissen, wie man darin leben kann. und es kann ihm als Leitfaden dienen, um einen Weg zurück in die Natur zu finden.
Darüber zeigt er kritisch, wie sich der Mensch von der natürlichen Umwelt abgrenzt, wie er sich diese unterwirft, ausbeutet, missbraucht und wie er darunter leidet — darin spiegelt die soziale Dimension seiner Romane. Das Thema Abkehr von der Natur, des Abpumpens natürlicher Ressourcen und dessen Auswirkungen, sowohl auf die Natur als auch auf uns, ist immer noch aktuell.
Karel Klostermann war Lehrer. Die Lehrer geben Wissen weiter, und ich denke, dass im Fall der Böhmerwald-Prosa er die Weisheit vermitteln wollte, die er hier gezogen hat.
Lassen Sie die Ausstellung des Karl Klostermann Hauses eine Landkarte sein, die Ihnen hilft, sein Werk zu verstehen - zu verstehen woraus er schöpfte, worüber er schrieb - in der Weisheit des Böhmerwaldes.